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Marsch, Marsch! Im Gleichschritt für die Unabhängigkeit.

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Es war in der Nacht vom 05. zum 06. März 1957, als Kwame Nkrumahs Worte im Jubel von Zehntausenden erstarben. Mitten in Accra  verkündete der Premierminister das Ende der britischen Kronkolonie Goldküste. Ghana wurde unabhängig – als erstes Land in Schwarzafrika.

54 Jahre später am selben Ort: Auf dem riesigen Platz, der mittlerweile Independence Square heißt, stehen ein Mahnmal, ein Triumphbogen und Tribünen wie in einem Fußballstadion. 30.000 Menschen haben sich hier versammelt, um wie jedes Jahr am 06. März die Unabhängigkeit Ghanas mit einer großen Parade zu feiern.

Ein Marsch-Marathon. In Bildern.

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Written by bjoernstephan

März 7, 2011 at 11:34 am

Die Zerreißprobe. Warum Accra zu zerbrechen droht.

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„Es wirkt wie eine vervielfältigte, vergrößerte Kleinstadt, die aus dem Busch, aus dem Dschungel gekrochen ist und am Ufer des Golfs von Guinea haltgemacht hat.“ Das schrieb der polnische Journalist Ryszard Kapuściński 1958 über Accra, ein Jahr nachdem die „Goldküste“ die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt hatte – als erstes schwarzafrikanisches Land.

Aus den Fugen geraten: H wie die Hoffnung auf ein neues Accra. Gedenktafel vor dem Independence Square.

Ein halbes Jahrhundert später hat Accra dieses tropische, immergrüne Flair verloren. Aus der vermeintlichen Kleinstadt, ist das wirtschaftliche und politische Zentrum Ghanas geworden, die wichtigste Metropole Westafrikas, ein Schmelztiegel, der die Menschen aus der ganzen Region wie ein Magnet anzieht. Ablesen kann man diesen Wandel zum Beispiel an der Einwohnerzahl: In den letzten fünfzig Jahren ist sie um das Fünffache gestiegen, von 330.000 auf 1,6 Millionen Einwohner, die Hälfte davon ist jünger als 24.

Ein schwieriger Spagat

Und Accra wächst weiter. Der Strom an Neuankömmlingen scheint nicht zu versiegen. Vom Land kommen die Bauern, aus der Elfenbeinküste oder Burkina Faso die Flüchtlinge. Was sie verbindet, ist die Hoffnung auf Sicherheit, Essen und ein Dach über dem Kopf. Für sie bedeutet Accra Verheißung. Paradoxerweise wachsen so aber gerade die Probleme: Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Kriminalität.

Das wichtigste Charakteristikum Accras im Jahr 2010 ist seine Ungleichzeitigkeit. Mit dem einen Bein hat die Hauptstadt die Pforte zum 21. Jahrhundert längst durchschritten, das andere aber  hinkt nach und bleibt der Tradition verhaftet. Dieser Spagat zwischen Moderne und Tradition ist schwierig und birgt Gefahren in sich. Accra droht zu zerreißen, wenn die Kluft zwischen extrem Arm und extrem Reich weiter wächst; wenn sich die gut Ausgebildeten, Aufstrebenden, die nach Europa schielen, weiter von den Fortschrittsverlieren entfernen.

Zwischen Wellblechhütten und Glaspalästen

Nirgendwo spiegelt sich diese Ungleichzeitigkeit deutlicher wieder als in der Architektur: Accra besitzt zwar kein repräsentables Stadtzentrum, keine Wolkenkratzer und keine schicken Einkaufspassagen, keinen McDonalds oder Starbucks. Aber immerhin sieht man in manchen Gegenden Hochhäuser, meistens Bürogebäude, manchmal spiegelverglast. Man sieht das futuristische, von chinesischen Architekten erdachte Nationaltheater; man sieht den Independence Square, der mit seinem Triumphbogen und den 30.000 Menschen fassenden Tribünen an die totalitären Diktaturen Osteuropas erinnert. Und man sieht die am Stadtrand hingeklotzte Accra Mall, ein 20.000 m2 großes Einkaufszentrum, in dem die neu entstandene Mittelschicht einkauft. Sie lebt in den Suburbs von Accra und lässt dort ihre Häuser im Akkord hochziehen – eine Villa größer als die andere.

Dies ist aber nur das eine Gesicht Accras, seine Schokoladenseite. Die andere Hälfte besteht aus den vergessenen Vierteln, den Slums, in denen es kaum Häuser aus Zement gibt und erst recht kein fließendes Wasser oder Strom. Ihre Namen lauten: Usher Town, James Town, Avenor, Ayidiki oder Ga Mashie.

Ga Mashie – Ein vergessenes Viertel

Ga Mashie war einmal das florierende Handelszentrum Accras, benannt nach den Ga, einem Stamm von Ackerbauern, der den Küstenstreifen, der heute Accra heißt, im 15. Jahrhundert als erstes besiedelte. Heute ist Ga Mashie ein Armenhaus, in dem laut einer Studie der CHF International 47000 Menschen leben. 3000 von ihnen sind obdachlos, der Rest wohnt in flachen, ebenerdigen Häusern. Es gibt von Termiten zerfressene Holz-Baracken; es gibt aus Lehmziegeln gemauerte und mit Wellblech gedeckte Hütten, von denen der mintgrüne oder rosafarbende Putz abblättert; und es gibt metallene Schiffscontainer, die in Vodafone-rot oder MTN-gelb leuchten. Eines haben alle Behausungen gemeinsam: Die Enge. Im Schnitt teilen sich sechs Menschen fünf Quadratmeter.

Dass Accra vor einer Zerreisprobe steht – daran besteht kein Zweifel. In den vergessenen Vierteln leben 60 Prozent der Accraner, mehr als eine Million Menschen. Und jährlich kommen über 20.000 neue dazu. Die Alarmglocken schrillen schon seit langem. NGOs wie die Bill Gates Foundation wollen helfen, die Regierung plant Investitionen. Und beides ist dringend nötig. Andernfalls nämlich wird die Hauptstadt entlang der Bruchstelle von Tradition und Moderne zerbrechen. Am meisten darunter zu leiden hätten Accras Ärmste. Denn die Entwicklung rauscht voran wie ein rasender Zug: Wer den Einstieg verpasst, wird abgehängt – von der eigenen Zukunft.


Written by bjoernstephan

Dezember 13, 2010 at 11:20 am